Let’s get digital, digital…

Das Wort Digitalisierung und digitale Bildung wird uns Lehrern in letzter Zeit nur noch so um die Ohren gehauen. Und das nicht nur, weil unsereiner Twitterat ist. Auch in den traditionellen Medien wird regelmäßig auf das Thema Bezug genommen. Sogenannte Fachleute postulieren, wie digitale Bildung auszusehen habe. Ich sehe Interviews mit Managern, Politikern in ihren Endfünfzigern, die noch vor ein paar Jahren von der Gefährlichkeit von neuen Medien lamentiert haben. Alles scheint vergessen. Aber wie soll man es nun machen, diese Digitalisierung? Was braucht eine Schule dafür? Welches Equipment? Welche Medien? Welche Software? Was für Lehrpersonal? Das weiß keiner so genau. Deswegen sollen das die Lehrer (wieder) einfach mal selbst rausfinden. Und so wurden die bayerischen Schulen beauftragt, bis Ende des nächsten Schuljahres ein so genanntes Medienkonzept zu erstellen, in dem festgehalten werden soll, welche Medien im Unterricht genutzt werden (sollen), wie sie genutzt werden (sollen), wann sie genutzt werden (sollen), warum sie genutzt werden (sollen). Das ist per se wichtig und richtig. Unternehmen geben für eine sinnvolle digitale Strategie Unmengen an Geld für externe IT-Teams aus, um sich fit für die Zukunft zu machen. Nur haben wir die nicht. Weder die Unmengen an Geld noch externe IT-Teams. Daher wird an jeder Schule ein Team aus Lehrkräften bestimmt, das diese freudige Arbeit umsetzen darf – natürlich zum regulären Tagesgeschäft oben drauf. Zu den Mitstreitern im neu beschworenen Arbeitskreis finden sich eine Person aus dem Direktorat, der Systembetreuer und aus dem Kollegium ein medienaffiner Lehrer. Ihr ahnt es schon: Letzteres – sono io.
Um die Lehrerschaft bei dieser Mammutaufgabe nicht komplett im Regen stehen zu lassen, werden wir regelmäßig zu Impulsfortbildungen geschickt, die uns mit der nötigen Theorie versorgen sollen. Wie wir sie am Ende umsetzen, bleibt uns überlassen. Und so pilgern wir an einem sonnigen Wintertag nach der Schule zu einer dreistündigen Fortbildung am Nachmittag an einem Münchner Vorortgymnasium, wo uns von Mitarbeitern des Ministeriums und medienpädagogisch-informationstechnischen Beratern – kurz MiBs – erklärt wird, was uns erwartet. Die Einladung ergeht – vorbildlich – über Mebis. Weniger cool: An der Schule, an der alle zusammenkommen sollen, um über neue Medien und Digitalisierung zu reden, existierten weder dafür nutzbare Endgeräte oder WLan. Wir werden im Vorhinein dazu aufgeordert ein Konvolut aus knapp 200 Seiten als ZIP-Datei herunterzuladen und mitzubringen. Wer kein Tablet nutzen kann, druckt es sich ganz einfach aus. Und tatsächlich: In den Reihen sieht man vereinzelt Leute, die diesen Packen auch wirklich in Papierform vor sich auf dem Schoß haben. Leute, die wohlgemerkt ausgesucht wurden, um neue Wege zu gehen. Neue Pfade zu betreten. Man will, aber auch wieder so richtig nicht.
Die Fortbildung selbst bekommt schnell ein bisschen Ohrfeigencharakter. Zwar sind die Impulsvorträge, die wir bekommen, recht informativ und handeln von der Wichtigkeit der 4Ks und ihrer baldigen Verankerung im Lehrplan. Aber vieles bleibt einfach zu vage. Welche Geräte dürfen wir nutzen? Was ist mit Datenschutz, was geht da, was geht da nicht? Was ist mit BYOD, das Technik unkompliziert in die Klassenzimmer holt? Nichts. Stattdessen Statistiker darüber, bis wann wir welchen Schritt abgearbeitet haben müssen. Überhaupt fällt „Sie müssen“ in diesen Stunden auffällig häufig. Und „Sie dürfen nicht“, gepaart mit „Es wird viel Arbeit sein“, „Sie werden gegen Windmühlen kämpfen“ und „Wenn Sie für die digitale Arbeit und technische Geräte zusätzliche Mittel erwarten, die Stadt München hat dafür kein Geld.“ Klar, dass sich im Publikum Widerstand regt. Die Leute sind mit einem gewissen Optimismus angetreten und schon nach einem Drittel der Zeit einfach nur genervt. Kein „schön, dass Sie sich bereit erklären“ oder „Ihre Arbeit wird wichtig sein, um die Schule auf die Zukunft vorzubereiten.“ Nichts.
Die ersten Publikumsfragen werden gestellt. Der erste Widerstand. Für einige klingt es nach unbezahlter Mehrarbeit, was da zu machen sei, andere finden es geradezu paradox, über Monate ihre Schule auf einen neuen, digitalen Weg zu bringen, wenn für den dazu nötigen Ausbau angeblich kein Geld da ist. Die Referenten nehmen die Kritik wohlwollend auf und kontern mit: „Sie sind Beamte. Sie müssen das jetzt halt machen.“ Punkt.
Um die Stimmung zu lockern und den Leuten die Möglichkeit zur Kollaboration und Praxis zu ermöglichen, werden die Leute in guter alter Fishbowl-Manier in verschiedene Räume verteilt, in denen zu ausgewählten Fragen Infomaterial zu finden ist, das zum fachlichen Austausch führen (Wir diskutieren über Chancen und Probleme digitaler Technik im Unterricht) soll. Die Ergebnisse der Diskussionen soll man digital auf einem Padlet festhalten, das per QR-Code zugänglich ist. Aber auch hier macht uns die Praxis den Garaus. Denn der Neubau mit seinen dicken Wänden erlaubt keinerlei mobile Daten. Unsere Smartphones kommen nichts ins Netz. Nichts mit Padlet. Stattdessen werden wir gebeten, unsere Ergebnisse schriftlich festzuhalten und zuhause am PC in Padlet einzutragen. Doppelte Arbeit, die man ja eigentlich NICHT haben will. Die Szenen sind geradezu symbolisch für das Thema Digitalisierung, wie es im Moment in den Schulen gehandhabt wird: Irgendwie will man ja was auf den Weg bringen. Aber man kann nicht. Weil man selber noch nicht dahintergestiegen ist. Oder die Technik einfach nicht will. Oder gar nicht will. Oder kein Geld da ist. Und es ist so ermüdend…

Kontaktieren Sie mich

We're not around right now. But you can send us an email and we'll get back to you, asap.

Nicht lesbar? Text ändern. captcha txt
0

Beginnen Sie mit der Eingabe und drücken Sie Enter, um zu suchen